Stromabnehmer im Test: Damit überschreitet der ICE 3neo die Grenzen in europäische Nachbarländer

09. Januar 2024, 15:08 Uhr

Artikel: Stromabnehmer im Test: Damit überschreitet der ICE 3neo die Grenzen in europäische Nachbarländer

DB Systemtechnik unterstützte Siemens bei Zulassungstests für den Velaro MS. Als ICE 3neo der DB soll der Hochgeschwindigkeitszug über Deutschland hinaus auch in Belgien und den Niederlanden unterwegs sein. Er muss in insgesamt vier Bahnstromsystemen funktionieren, dafür braucht er entsprechend qualifizierte Stromabnehmer.

Auf deutschen Strecken ist der bis zu 320 km/h schnelle ICE 3neo bereits seit Dezember 2022 unterwegs. Im Jahr 2024 - nach erfolgter Zulassung - wird die Deutsche Bahn den mehrsystemfähigen Zug auch für den grenzüberschreitenden Verkehr nach Belgien und in die Niederlande einsetzen. Er wird die inzwischen störanfälligen Vorgängermodelle auf den Verbindungen von Frankfurt/Main nach Amsterdam und Brüssel ersetzen.

Mehrsystemfähiger ICEneo

Dank spezieller Technik und mit entsprechenden Stromabnehmern können die 90 ICE 3neo, die die DB bei Siemens bestellt hat, im deutschen Bahnstromsystem ebenso selbstverständlich unterwegs sein wie in den Systemen der Niederlande und Belgiens. Für Reisende bedeutet diese Mehrsystemfähigkeit weiterhin: schnelle grenzüberschreitende Verbindungen ohne Umsteigen.

Länderübergreifende Test, mit AC- und DC-Stromabnehmertyp

Vor dem Einsatz im Fahrgastbetrieb steht allerdings für den ICE 3neo wie für jeden neuen Zugtyp ein strenges und umfangreiches Zulassungsverfahren. Dafür muss Siemens als Hersteller diverse Nachweise erbringen. Bei den Zulassungstests der Stromabnehmer unterstützten die Fachleute der DB Systemtechnik.

Die länderübergreifende Test- und Messkampagne war äußerst anspruchsvoll, berichtet das Testteam der DB Systemtechnik: So mussten zwei unterschiedliche AC-Stromabnehmertypen mit 1950 mm Wippenbreite für Deutschland und die Niederlande sowie für Belgien mit 1600 mm Wippenbreite optimiert und geprüft werden, außerdem der DC-Stromabnehmer mit unterschiedlichen Einstellungen für Belgien und die Niederlande an verschiedenen Positionen auf einer einzelnen und auf zwei gekuppelten Zugeinheiten in Wechselwirkung mit den Oberleitungen auf unterschiedlichen Referenzstrecken.

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Tests bis 320 km/h in Deutschland, bis 200km/h in Belgien und bis zu 160 km/h in den Niederlanden

Dazu wurden auf dem Stromabnehmer-Prüfstand der DB Systemtechnik in München insgesamt zwölf Stromabnehmer für die Testfahrten vorbereitet, mit Kontaktkraft-Messtechnik ausgerüstet und für die DC-Varianten um Lichtbogen-Messtechnik ergänzt. Bei Geschwindigkeiten bis zu 320 km/h wurde dann in Deutschland im Wechselstromsystem (AC) der Deutschen Bahn die Eignung der zwei verschiedenen Stromabnehmertypen nach den europäischen TSI-Regeln geprüft. Im Streckennetz der Niederlande und Belgien stellten die Prüfexperten von DB Systemtechnik darüber hinaus mit Messungen an 3,0 kV-DC-Oberleitungen in Belgien bei Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h bei bis zu zwei gehobenen Stromabnehmern einer Doppeleinheit und an 1,5 kV-Oberleitungen in den Niederlanden bei Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h bei bis zu vier gehobenen Stromabnehmern einer Doppeleinheit die länderspezifische Eignung der vorgesehenen Stromabnehmer fest.

Acht Stromabnehmer für den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Deutschland, den Niederlanden und Belgien mit dem Velaro MS (ICE 3neo) © DB, Volker Emersleben

Erfolgsfaktoren: Erfahrung, Know-how, Flexibilität und Teamarbeit

Das Testprogramm für die Überprüfung der Stromabnehmer auf den geforderten Referenzstrecken wurde zusammen mit den DB-Systemtechnik-Experten, dem jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmen (in Deutschland DB Systemtechnik) und den Siemens-Spezialisten und Projektleitern straff organisiert. Zur Prüfung der Wechselwirkung zwischen Stromabnehmer und Oberleitung kam hauptsächlich das Kontaktkraft-Messverfahren zum Einsatz. Für die Prüfungen der Wechselwirkung mit den DC-Oberleitungen in Belgien und in den Niederlanden wurde zusätzlich das Lichtbogen-Messverfahren eingesetzt. Dadurch konnte die Zulassung des Zuges für 160 km/h mit vier gehobenen DC-Stromabnehmern in den Niederlanden abgesichert werden.

„Mit Zeitdruck kann unser Testteam umgehen und auch mit anspruchsvollen Prüfungen“, so Dr. Lars Müller, Leiter der Businessline Prüfdienstleistungen der DB Systemtechnik. Der Mehrsystem-ICE 3neo reihte sich hier nahtlos ein. „Dank enger und permanenter Abstimmung mit den Siemens-Kollegen gelang uns eine inhaltlich und zeitlich bemerkenswert straffe Messkampagne.“

Ziel 2024 für Siemens: Zulassung + Inbetriebnahme

Die vereinbarten Prüfberichte übermittelte die DB Systemtechik pünktlich an Siemens Mobility. Dem Fahrzeughersteller dienen sie als Grundlage, um die Zulassung bei der Europäischen Bahnaufsichtsbehörde ERA zu erlangen; damit sind sie eine wichtige Voraussetzung für die Inbetriebnahme des ICE 3neo in der innovativen Mehrsystemvariante. Außerdem wird damit der jeweilige Netzzugang sichergestellt.